Das teuerste Serienauto der Welt
Essen (dpa) - Das PS-Monster schläft, doch fast scheint es, als könne die schwache Herbstsonne im Essener Grugapark den Boliden zum Leben erwecken. Ein gutes Dutzend männlicher Augenpaare blickt in Richtung des massigen Sport-Coupés aus dem Hause Stola aus der Nähe von Turin.
Zaghaft umkreisen die anwesenden Herren den italienischen Super-Sportwagen. Und auch die wenigen Damen in der Runde sind schwer angetan von dem, was da zehn Tage vor Beginn der 40. "Essen Motor Show" der Fachpresse vorgestellt wird.
"Das ist ja wie Ekstase auf vier Rädern", staunt ein Passant, der zufällig vorbeigekommen ist. Im Garten hinter den Messehallen haben die Veranstalter der diesjährigen Leistungsschau des Automobil- Designs drei ganz besondere Exemplare aufgestellt. Der Star des Tages kommt aus einer Edelschmiede: Der Stola-Entwurf soll sofern er wie beabsichtigt mit 25 Exemplaren in Kleinserie geht zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro kosten. Dieser Kaufpreis ist gigantisch, obwohl Sondermodelle mit nur einem Exemplar noch mehr Geld verschlingen.
Ob die gut betuchte Kundschaft das Auto zum Preis einer Villa eines Tages wirklich erwerben darf, steht indes nicht abschließend fest. "Der Hersteller hat uns noch nicht mitgeteilt, wie hoch die Zahl der Bestellungen ist", sagt Messe-Initiator Wolfgang Schöller. Das möglicherweise teuerste Serienauto der Welt kommt deshalb vorerst nur als Entwurf daher.
Die Karosserie blitzt in tadellosem Silber-Metallic, doch der Innenraum ist leer. "Stola will seinen Kunden individuelle Inneneinrichtungen anbieten", erklärt Messe-Sprecher Michael Herdemerten. Das aggressiv wirkende Modell mit glitzernden Speichenfelgen und 315er-Breitreifen wurde bereits im vergangenen März auf dem Genfer Automobil-Salon präsentiert.
Fest steht: Sollte der sechs Meter lange Schlitten mit Adlerkopf im Kühlergrill jemals mit normalem Asphalt in Berührung kommen, dann wird er mit seinem 6,3-Liter-V12-Motor des Tuning-Spezialisten Brabus 750 PS auf die Straße bringen. 330 Stundenkilometer soll der Wagen laufen. Gegen solche brachialen Daten dürfte jeder handelsübliche Sportwagen wie ein bescheidenes Alltagsauto wirken. "Der Porsche 911 ist das Rettungsboot von dem hier", witzelt ein Motorjournalist.
Doch was für die einen das Maximum an automobiler Erfüllung ist, betrachten andere als einen Ausbund totaler Dekadenz. "Was sind das denn für Erfindungen? So was braucht keiner!", rügt ein skeptischer Besucher, der den Stola beim Park-Spaziergang erspäht. Als er von der geplanten Motorleistung hört, schüttelt der ältere Herr nur den Kopf. Angesichts der aktuellen Klimaschutz-Debatte ecken solche Extrem- Autos bei vielen Menschen an. "Das ist jenseits von Gut und Böse", urteilt eine Frau, die mit ihrem Hund um die Ecke kommt.
Grenzenlose Kraft für grenzenlose Autonarren bietet auch das zweite Exponat, das sich an diesem Tag in den Grugapark verirrt hat: Im neuen Zweisitzer der ebenfalls italienischen Firma Giugiaro sitzen Fahrer und Beifahrer hinter- statt nebeneinander. Wo normalerweise das Lenkrad ist, haben die Designer zwei Joysticks installiert. Summend springt die fahrende Röhre an, das blonde Model Xenia räkelt sich für die Fotografen am Überrollbügel, und Besitzer Remo Gorianz lacht sich ins Fäustchen. "Das ist nur ein Prototyp. Auf der Straße kann man so was gar nicht benutzen", sagt der Mann aus dem norditalienischen Moncalieri. Das Wasserstoff-Fahrzeug mit weit über 200 PS sei ihm für den normalen Verkehr zu schade.
Geradezu ökologisch vorbildlich mutet dagegen das dritte Modell an, der "Rinspeed eXasis" eines schweizerischen Designer-Teams. Äußerlich kommt das durchsichtige, mit gelblichem Hightech- Kunststoff verkleidete Auto der Gestalt einer Badewanne nahe. Im Innern sorgt ein Bioethanol-Zweizylinder für gediegene 150 PS.
"Oft sind diese Styling-Studien Trendsetter in der Geschichte des Autobaus gewesen. Oft blieben sie aber auch Einzelstücke, die nie in Serie gingen", sagen die Organisatoren der "Essen Motor Show". Auto-Fans können die kuriosen Kreationen der internationalen Autodesigner-Branche zwischen dem 1. und 9. Dezember in der Essener Messehalle 1 bestaunen. Mehr als 560 Aussteller aus 26 Nationen haben sich angesagt natürlich auch die Väter der Turiner Kraftprotzes in spe.